+ Auf der E3 2019 gab es damals eigentlich nur ein echtes + Highlight: Keanu Reeves, der überraschend als Johnny + Silverhand für + Cyberpunk 2077 + angekündigt wurde. Zumindest mich hat das recht + unvorbereitet erwischt und ziemlich gefreut. Dabei bin ich + persönlich kein riesiger Fan des Schauspielers. Ich + habe nur einen einzigen seiner Filme bis jetzt gesehen. + Und das war weder Matrix noch John Wick, sondern Bill + & Teds verrückte Reise durch die Zeit. +
+ ++ Die Starpower war aber natürlich unverkennbar und + brachte mit + »Breathtaking!« + wenigstens noch ein Cyberpunk-Meme hervor, in dem es nicht + um die kaputte Konsolen-Versionen ging. Wilde Zeiten. + Nennt mich naiv, aber für mich war das damals auch + deshalb so eine Überraschung, weil ich selbst nach + Witcher 3 + CD Projekt noch nicht für diese Art Mainstream-Studio + gehalten hab, das bereit ist, für einen Hollywoodstar + Ressourcen auszugeben. +
+ ++ Mein Interesse an Johnny Silverhand war also geweckt, doch + erste Infos alles andere als begeisternd. Irgendein + rebellischer Rockstar halt. Na gut. Und dann kam in den + späteren Previews von Kollege Graf auch noch heraus, + dass Johnny + ein ziemliches Arschloch + (sic!) sei. Da wusste ich eigentlich schon, dass Johnny es + mit meinem Charakter schwer haben würde. +
+ +Noch nie lag ich so falsch.
++++ Spoileralarm! +
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+ Kleine Warnung gleich vorweg: Ich werde in diesem + Artikel über meine Spielzeit an der Seite von + Johnny Silverhand sprechen. Da Johnny neben unserem + eigenen Helden die wichtigste Figur im Spiel ist, werde + ich wohl oder übel ein paar kleinere Inhalte der + Kampagne vornweg nehmen. Ich achte darauf, keine + großen Enthüllungen zu verraten. Aber wenn + ihr komplett unbefangen ins Spiel gehen wollt, dann + lasst diesen Artikel hier besser erst einmal ruhen. +
Klare Prinzipien
++ Ich bin ein Rollenspieler. Sowohl am Tisch mit Stiften, + Papier und echten Würfeln, aber auch am PC. Ich + spiele mich also nicht selbst, sondern verkörpere + eine bestimmte Rolle. Dafür gebe ich meiner Figur + erdachte Prinzipien, Ideale und Vorlieben mit auf den Weg + und versuch ein konsequentes Charakterspiel durchzuhalten. + Wie man das bei Cyberpunk am besten macht, habe ich sogar + in einem Guide für Plus festgehalten: +
+ ++ Mehr zum Thema + +
++ Nicht immer entsprechen die Vorstellungen meines + Charakters dann meinen eigenen. Bei Cyberpunk entschloss + ich mich aber, eine V zu verkörpern, die durchaus ein + paar Gemeinsamkeiten mit mir hat. Meine V raucht + beispielsweise nicht. Außerdem hatte ich + grundsätzlich so wenig Bock auf Johnny Silverhand, + dass sich dieser Unmut auch auf meine V übertragen + sollte. +
++ Das hat sich natürlich nochmal verschärft, als + die Story von Cyberpunk 2077 anfing ihren Lauf zu nehmen. + Letzte Warnung vor kleinen Spoiler! +
++ Denn Johnny Silverhand ist nicht nur eine zweite + Persönlichkeit, die sich in Form eines digitalen + Geistes in Vs Kopf manifestiert. Der nervige Chip versucht + sogar, Vs Identität zu überschreiben. Also im + Prinzip meinen Charakter aus seinem Körper zu + löschen, damit Johnny sich darin einnisten kann. + »No Way, Jose!«, war mein erster Gedanke. +
+ + ++ Ich wusste, dass ich als Rollenspieler gut in der Lage + bin, auf den Prinzipien meines Charakters zu beharren. Ich + wusste, dass ich Johnny weder meinen Körper + überlassen, noch mich mit ihm anfreunden wollte. Doch + Johnny gelang es schon recht bald, meine oftmals harte + Linie aufzuweichen. +
++ Ein einzigartiger Gefährte +
++ Bereits in den ersten Momenten, nachdem Johnny + anfängt prominent zu werden, musste ich meine + ursprüngliche Meinung über ihn revidieren. + Johnny ist durchaus ein ziemlich zynischer Drecksack, aber + mit dieser einzigartigen Situation genau so + überfordert wie V. +
+ - ++ Nach anfänglicher Abneigung scheint sich Johnny + jedoch erstaunlich schnell mit seiner Lage zu arrangieren. + Von da an taucht das Großmaul regelmäßig, + teilweise unerwartet, in unserem Sichtfeld auf. + Kommentiert meine Entscheidungen (auch kritisch) oder gibt + Ratschläge. Vielleicht war es seine permanente + Präsenz oder Keanu Reeves erstaunlich energiegeladene + Performance, doch Johnny begann mir nach und immer besser + zu gefallen. +
+ ++ Oft dank der kleinen Momente, die CD Projekt in Cyberpunk + meisterhaft verwendet, um seinen Charakteren Leben + einzuhauchen. Sei es Johnnys Respekt für einen + einfachen Gitarrist auf der Straße, oder wenn er + plötzlich neben V in einer Achterbahn sitzt und + grinst wie ein 12-jähriger. +
+ ++ Mehr zum Thema + +
++ Doch letztlich waren es eben nicht nur die guten Momente, + die mir den Charakter näher brachten. Gerade weil wir + vor allem in Flashbacks immer wieder mitbekommen, was + Johnny eigentlich für eine defekte + Persönlichkeit ist, strahlen die lichten Momente so + viel heller. Wir sehen, wie Johnny Menschen in seiner + Umgebung verbal und physisch ständig angeht. Dem + scheinbar alles außer seinem Kreuzzug gegen Arasaka + egal ist. Der offenbar selbst nicht weiß, ob er + jemanden liebt oder hasst. +
++ Eine Figur mit so vielen charakterlichen Schwächen + doch noch irgendwie sympathisch erscheinen zu lassen. + Dafür zu sorgen, dass wir ihm Fehltritte irgendwann + leichter verzeihen oder sogar darüber lachen + können - das ist eine ganz große + erzählerische Kunst. Etwas, das man in Videospielen + sehr selten findet. Vor allem, wenn es um einen NPC und + nicht die eigene Spielfigur geht. +
++ Gleichzeitig vermutete ich, dass Johnny V gezielt + manipuliert. Immerhin kam der Umschwung von »blas + dir besser das Hirn raus« zu »lass uns dir + helfen« ziemlich schnell. Klar, versucht der nur + mich einzulullen, um letztlich Vs Körper zu kapern. + Gleichzeitig verschmelzen die Persönlichkeiten immer + weiter. +
++ Einmal ärgerte ich mich etwa erst über das + Spiel, als meine V plötzlich doch ne Schachtel + Zigaretten dabei hatte. Bis mir klar war ... Moment, das + ist kein Fehler. Das ist Johnny. Was für ein toller + erzählerischer Kniff! Denn anstatt meine V + umzudrehen, hat er mich, den Spieler, auf seine Seite + gezogen. +
+Ich wollte Johnny sein
++ Im Verlauf der Story wurde in mir der Wunsch immer + größer, Johnny zu spielen und nicht länger + meinen eigenen Charakter. Ich war von dieser + Charakterdynamik so eingenommen, dass meine komplettes + Konzept über Bord ging. Das lag sicher an Johnny + selbst, aber auch an fast schon stupiden Kleinigkeiten. +
++ Beispielsweise fand ich Johnnys Revolver schon im ersten + Flashback einfach hinreißend. Das Schießeisen + selbst zu benutzen, hat mir einen höllischen + Spaß bereitet. Auch dank der einzigartigen + Nachladeanimation oder dem feurigen Nahkampfangriff. Dann + gab es noch ne schicke Sonnenbrille als Questbelohnung und + ein Porsche. Alles simpel, alles oberflächlich. Aber + ich wollte das haben! +
+ ++ Silverhand hat es zudem geschafft, dass ich Keanu Reeves + vergessen habe. Ein Kunststück, dass ich Cyberpunk + sehr hoch anrechne. Denn eigentlich nerven mich + berühmte Schauspieler in Videospielen. Eigentlich + glaube ich, dass Videospielcharaktere das nicht brauchen + und mehr von ihrer Einzigartigkeit einbüßen, + als etwas zu gewinnen. Ich habe beim Spielen aber schlicht + in Silverhand nicht mehr Keanu Reeves gesehen. Sondern ein + abgehalfterten, verzweifelt idealistischen, viel zu + selbstsicheren Rebellen. +
++ Letztlich bin ich sehr dankbar dafür, dass Johnny auf + mich diesen extremen Effekt hatte. Es war einer dieser + raren Momente, in denen Spiele scheinbar + die Grenze zwischen Spiel und Realität + verschwimmen lassen. Wer bestimmt denn überhaupt noch, was mein + Charakter sagt? Die Person, die sie eigentlich sein soll? + Johnny? Oder ich, der mehr von Johnny begeisterte ist als + von seiner eigenen Heldin. Also doch Johnny? Ich + weiß es bis heute nicht. +
++ Aber ich weiß, dass CD Projekt es geschafft hat, mit + Silverhand einen grandiosen NPC zu erschaffen, der mir + eine einzigartige Spielerfahrung beschert hat und den ich + bestimmt nie wieder vergessen werde. +
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